Prinzipien des Biologieunterrichts

vgl. „Nach welchen Prinzipien kann Biologieunterricht gestaltet werden“ von Karlheinz Köhler in „Biologie-Didaktik. Praxishandbuch für die Sekundarstufe 1 und 2“ von Spörhase-Eichmann (Hrsg.)


Prinzip der Anschaulichkeit

Ziel des Prinzips der Anschaulichkeit ist es, den Schülerinnen und Schülern eine möglichst konkrete Vorstellung des Unterrichtgegenstandes zu gewähren.
Diese Vorstellung soll derartig konkret sein, dass sie Konkretisierungen und Abstraktionsschritte ermöglicht.
Da Anschauung mit Erfahrung verbunden ist, findet sie im direkten Kontakt von Lernendem und Lerngegenstand statt. Man spricht von Primärerfahrungen.
Als Sekundärerfahrungen bezeichnet man vermittelte Erfahrungen durch Arbeitsblätter, Texte, Bilder, Modelle und Hinweise. Sekundärerfahrungen fokussieren meist bestimmte Merkmale der Originale.

Bezogen auf den Lernprozess bietet die Anschauung die Möglichkeiten:

  1. das Lerninteresse zu wecken/ verstärken (Motivationsfunktion)
  2. das Begreifen und Verstehen durch eine Konkretisierung der Inhalte zu erleichtern
  3. die Übernahme der Inhalte in das Langzeitgedächtnis zu fördern

Da die Biologie lebende System behandelt, spricht man häufig vom (Killermann 1995). Behandelt man als Lerngegenstand etwas Lebendiges, ist eine möglichst authentische Erfahrung damit ratsam, d.h. die Anschaulichkeit soll möglichst multisensorisch, assoziativ und konstituierend gewährleistet sein.
Ist der Lerngegenstand nicht als realer Gegenstand (im Unterricht) darstellbar, so sollte man einen möglichst konkreten Stellvertreter wählen.

Fazit

Anschauungsobjekte im Biologieunterricht sollen:

  1. den Lerngegenstand möglichst konkret und optimal (re)präsentieren
  2. den Lernenden möglichst frei zugänglich sein

Jens Krämer


Prinzip des Exemplarischen

Das Prinzip des exemplarischen ist auf Hempel und das Prinzip des „paradigmatischen Lehrens und Lernen“ zurückzuführen. Er beschreibt eine Vorgehensweise, bei der „im Einzelnen das Allgemeine enthalten“ ist. Scheuerl (1964) benennt die Vertiefung in den Einzelfall kombiniert mit dem Rückbezug auf den Gesamtüberblick des Faches.
Die vier wichtigsten  Aspekte des exemplarischen Lernens sind nach Derbolav:

Köhler benennt folgende acht Elemente des exemplarischen Lehrens und Lernens:

Laura Ferreira


Prinzip der Handlungsorientierung

Mit Handlungsorientierung ist nicht „Hantieren im Unterricht“ gemeint, sondern eine Kombination aus aktivem Nachdenken, Tun und Gestalten im reflektierten Selbsttätigsein.
Nach Jank/Meyer (2002) ist handlungsorientierter Unterricht definiert als

„Handeln“ ist bestimmt durch folgende Charakteristika:

Merkmale handlungsorientierten Unterrichts (Gudjons 1980; Jank/Meyer 2002):

Idealtypischer Verlauf einer handlungsorientierten Unterrichtseinheit

Bönsch (2000) unterscheidet 5 Dimensionen der Handlungsorientierung:

  1. Handlungen als sinnbestimmtes, selbst geplantes und realisiertes Tun
  2. Handlungsorientierter Unterricht als Rahmen für entdeckendes und forschendes Lernen (Erfahrungslernen)
  3. Handlungsorientiertes Lernen als Basis/Vehikel für kognitives Lernen (Lerner sind kaum an der Planung beteiligt, agieren aber selbstständig)
  4. Praktisches Tun nach Plan und Anweisung (angeleitetes Tätigsein)
  5. Begleitende Aktivitäten (an sich nicht handlungsorientiert, als Element von Handlungsorientierung sinnvoll)

In den 5 Dimensionen zeigt sich ein nach unten abnehmender Grad der Handlungsorientierung!

Heike Schlößer


Prinzip der Situationsorientierung

Das Prinzip der Situationsorientierung knüpft im Biologieunterricht an die Lebenssituation der SuS an. Zum einen kann dies die aktuelle aber auch die zukünftige Lebenssituation betreffen. Dabei werden Themen wie

Das Prinzip der Situationsorientierung bietet Anlass zu „echten Fragen“.
Im Unterricht werden demnach nur fachliche Grundlagen erarbeitet, die zur Lösung eines Problems aus der Lebenswelt der SuS beitragen. Dabei sollten einzelne biologische Aspekte in allgemeinere Kontexte gestellt werden:

  1. „im konkreten situativen Rahmen werden biologische Zusammenhänge erarbeitet
  2. diese werden als abstrakte Regeln (oder Gesetzmäßigkeiten) herausgearbeitet und fixiert
  3. das gewonnene biologische Wissen/ Können wird auf eine andere Situation mit vergleichbarer Grundstruktur übertragen“ (vgl. Spörhase- Eichmann, S. 138)

Ein großer Motivationseffekt und die Übertragbarkeit gelernter Fähigkeiten auf andere Situationen sprechen für das Prinzip.
Kritik ist vor allem an der nicht klar gelösten  Frage der Themenabfolge (Sequenzproblem) zu üben.

Bojunga/ Dylla (1972)
Köhler (1977/1999)
Ellenberger (1993)
Prenzel (2002)

Hanna Mecke


Prinzip der Problemorientierung

Der Sachverhalt soll von einem Problem ausgehend systematisch erfasst werden.
Als Problem kann dabei alles dienen, was nicht auf Anhieb erklärt oder gelöst werden kann. Es wird dabei unterschieden zwischen

Ersteres betrifft vor allem Probleme, die in der Lebenssituation der SuS auftreten, während letzteres nicht unbedingt Probleme für jeden einzelnen oder evtl. auch für gar keinen SuS sein müssen (m.E. Frage nach der Relevanz der SuS zu beachten).
Wichtig ist es zu Beginn des Unterrichts eine gemeinsame Fragestellung zu entwickeln, die als reale Frage bzw. Fragen formuliert werden sollten (z.B. „Warum ist die Banane krumm?“). Zudem sollte die Formulierung der Frage eine selbstständige Lösung durch die SuS ermöglichen. Die Problemsituation sollte dazu gezielt aufbereitet werden für die SuS und auch mit den entsprechenden zur Verfügung stehenden Mitteln zu lösen sein. Die Fragen sollten greifbar und überschaubar sein.
„Entscheidend sind für eine problemorientierte Erarbeitung die Komplexität des Sachverhalts, seine vernetzten Systembeziehungen und die vorhandene erreichbare Transparenz des Problemzusammenhangs“ (Ellenberger 1993, in Spörhase-Eichmann S. 139).
Die SuS werden durch die Auseinandersetzung mit einem fassbaren Problem (insofern die Fragestellung eine selbstständige Erarbeitung ermöglicht) zu selbstständigen Denken und Arbeiten angeregt, ein hohes Maß an Eigentätigkeit wird gefordert; Denk- und Arbeitsweisen des Faches Biologie können eröffnet werden.
Lange (in Spörhase-Eichmann) nennt folgende zu beachtende Aspekte bei der Auswahl eines zu behandelnden Problems:

aus: Spörhase-Eichmann (Kapitel von Karlheinz Köhler)

weitere Autoren:

Julia Hündgen


Prinzip der Wissenschaftsorientierung

Biologieunterricht baut immer auf dem aktuellen Wissenschaftsstand auf, Lehrpersonen müssen sich dieses Fakts bewusst sein und sich stets informieren und fachlich weiterbilden.
Oberstes Ziel ist, „die Schüler zu befähigen, Zusammenhänge sach- und fachangemessen zu bewerten, zu entscheiden und entsprechend zu handeln“ (Köhler, 2004), wobei die Lerninhalte wissenschaftlich begründbar sein müssen.
Wissenschaftsorientierung impliziert, allgemeingültige für wissenschaftliches Arbeiten notwendige Kriterien (u.a. Nachvollziehbarkeit, Reproduzierbarkeit, Begründbarkeit und fachliche Richtigkeit) zu erfüllen.
Im wissenschaftsorientierten Biologieunterricht gilt es zu beachten, dass Fachterminologie - sofern nicht vermeidbar – erst eingeführt wird, wenn die Schüler den Inhalt oder Zusammenhang mit eigenen Worten erklären können.
Je nach Altersstufe birgt das Prinzip die Gefahr, die Schüler inhaltlich oder methodisch zu überfordern, daher besteht gerade in Förderschulen erhöhter Reduzierungsbedarf.

Steffen Bergfeld


Fachspezifisch akzentuierte Prinzipien

Prinzip des Pflegerischen

Das Prinzip des Pflegerischen beschränkt sich nicht auf das Pflegen von Pflanzen und Tieren. Winkel erweitert es zu einer "Leitidee der Erziehung". Er sieht hierin ein wesentliches Element des "Umgangs mit sich selbst und mit anderen, mit den natürlichen Ressourcen, mit Arten und Ökosystemen und den Kulturgütern". Die pflegerische Arbeit stellt eine Realsituation dar, die von den Schülerinnen und Schülern die Übernahme von Verantwortung verlangt. Außerdem wird es den Schülern ermöglicht, eigene Zugänge zum Lerninhalt zu finden und eventuell Betroffenheit zu erfahren.
Eine komplexe Form der pflegerischen Arbeit findet in der gemeinsamen Schulgartenarbeit statt.

Das formenkundliche Prinzip

Im historischen Biologieunterricht besaß die Formenkunde eine hohe Bedeutung. Dies änderte sich in den siebziger Jahren als die allgemeinbiologischen Zusammenhänge in den Vordergrund traten, die Formenkunde verlor an Bedeutung.
Aufgrund der ökologischen Krise wurde in den letzten Jahren deutlich, dass Formenkenntnisse eine wesentliche Grundlage für das Verständnis der natürlichen Lebensgrundlagen darstellen.
Mayer stellt fünf verschiedene Beschäftigungsmöglichkeiten mit Lebewesen dar:

Die Verbesserung der Formenkenntnis soll besonders von Schulbeginn bis zum sechsten Schuljahr berücksichtigt werden, da in dem entsprechenden Alter die Sensibilität für entsprechende Themen besonders hoch ist. Aber auch später soll die Formenkunde ein regelmäßiger Bestandteil des Biologieunterrichts darstellen.

Michael Kostka