(Methodische) Prinzipien des Erdkundeunterrichts
- Realbegegnung
- Anschauung
- Nahraum
- Selbsttätigkeit
- Aktualität
- Strukturierung
- Interdisziplinarität
- Vernetztes Denken
- Globales Lernen
- Umwelterziehung
- Interkulturelles Lernen
Prinzip der Realbegegnung
Unter Realbegegnungen sind das Erfahren, Handeln und Schaffen an der Wirklichkeit zu verstehen. Realbegegnung soll als Lernen an konkreten Gegenständen und realen Gegebenheiten begriffen werden. Sie können außerschulisch in Form von Exkursionen z.B. in den Braunkohle-Tagebau oder zu Bodenprofilen, oder im Klassenzimmer anhand von originalen Gegenständen z.B. Gesteine, Früchte, technische Produkte sowie durch Vertreter bestimmter Berufsstände (z.B. Landwirte und Handwerker), stattfinden.
Sebastian Schirm, Jennifer Ziegler
Prinzip der Anschauung
Das Prinzip der Anschauung findet seine Wurzeln bei J.A. Comenius und J.H. Pestalozzi.
Für Comenius konnte
- nicht verstanden sein, was nicht vorher in den Sinnen gewesen ist.
- Das sinnlich wahrgenommene besser behalten werden.
Für Pestalozzi war die Anschauung das absolute Fundament aller Erkenntnisse.
Die Bedeutung der Anschauung zur Erkenntnisgewinnung ist bis heute unumstritten. Besonders wichtig ist sie für die Steigerung der Lerneffektivität und Gedächtnisleistung von Jugendlichen und Erwachsenen.
Das Prinzip der Anschauung ist heute ein zentrales methodisches Prinzip, es bezeichnet sowohl die Begegnung mit der Wirklichkeit als auch ein Abbild der Wirklichkeit (Medien).
Das Prinzip erstreckt sich auf folgende Dimensionen:
- Direkte Anschauung: findet in Gegenwart des Gegenstands statt.
- Mediale Anschauung: abgebildete Darstellung in Abwesenheit des Gegenstands. Spielt besondere Rolle, da eine direkte Anschauung nur selten möglich ist.
- Operative Anschauung: Erkenntnisgewinnung durch Eigentätigkeit, durch Umgestaltung von Wahrnehmung und Vorstellung. (Modellexperimente, Naturexperimente)
Prinzip der Anschauung ist Hauptforderung des Geographieunterrichts und hat Auswirkungen auf die Wahl der Unterrichtsmethode (Experimente, Exkursionen, Spiele) und den Einsatz von anschaulichen Medien. Methoden des Prinzips der Anschauung dienen häufig zur Anschauung und Erkenntnisgewinnung am Anfang des Lernprozesses. Die Erkenntnisse werden dann mit anderen Methoden vertieft und erweitert. Ähnliches gilt für die, nach diesem Prinzip, eingesetzten Medien (Prinzip vom Anschaulichen zum Abstrakten).
Martin Rehs-Bauer
Prinzip der Heimat bzw. des Nahraums
- stellt die Lebenswelt der Schüler bzw. den Raum in der Umgebung der Schüler in den Mittelpunkt
- Nahraum: Raum, indem man seine täglichen Daseinsfunktionen ausübt
- besonderer Stellenwert im Unterricht: Einüben und Anwenden fachspezifischer Arbeitsweisen (Kartieren, Messen, Befragen, Zählen, ..)
Selbsttätigkeit
"Selbsttätigkeit ist gekennzeichnet durch Handeln,
Eigeninitiative und Selbststeuerung beim Lernprozess" (Köck 2000,
264). "Die Schüler sollen mit allen Sinnen, also mit dem Kopf
(Denken), Herz (Fühlen) und den Händen (Handeln) dabei sein.
Selbsttätigkeit zwingt zu eigenen Überlegungen, fördert
das Problembewusstsein und die Selbstkritik. Es soll Spielraum bleiben
für Spontanität und Kreativität" (Kestler 2002, 151).
Ziel der Selbsttätigkeit ist die Selbstständigkeit. (Kestler 2002, 151)
Wer Handlungsfähigkeit will, muss handeln lassen. (Lenz 2003, 2)
. . .von einer "Vermittlungsdidaktik" hin zu einer "Didaktik der Aneignung" (Lenz 2003, 4)
Handeln ist kein Selbstzweck
Bei handlungsorientierten Unterrichtsformen geht es allerdings
primär nicht um eine Erhöhung des Aktivitätspegels im
Klassenzimmer. Denn oberflächliche Handlungen führen nicht
zum Aufbau neuer Erkenntnisse und Einsichten, und das bloße Tun
alleine entscheidet nicht über das Zustandekommen eines
Lernprozesses. Entscheidend ist vielmehr eine mit der
Handlungsorientierung einhergehende Problemorientierung und die mit der
Handlung verbundene Verinnerlichung durch das sprachlich-gedankliche
Durcharbeiten des Tuns. (Lenz 2003, 4)
Merkmale von Handlungsorientierung als methodischem Prinzip
- Der lehrerdominante Frontalunterricht tritt zurück zugunsten eines anschaulichen, schülerorientierten Unterrichts.
- Das immer noch weit verbreitete rezeptive Lernen in der Schule, das
oft nur aus Zuhören, Mitschreiben, Auswendiglernen und Wiedergeben
besteht, wird zurückgedrängt zugunsten eines aktiven und
produktiven Lernens, welches dazu beiträgt, dass die o. g.
Kompetenzen eines erweiterten Lernbegriffs effektiver aufgebaut werden.
- Der Zugang zur Welt erfolgt durch unmittelbare Erfahrungen und größere Anschaulichkeit.
- Der Aufbau von Denkstrukturen wird durch Handlung(en) unterstützt.
- Handlungen haben keinen Selbstzweck, sondern müssen stets von
einem Problembewusstsein getragen sein, um schließlich zu
Lösungen und Einsichten zu führen.
- Spezifisch geographische Methoden und Arbeitstechniken werden berücksichtigt.
- Durch einen möglichst regelmäßigen Einbau in den
täglichen Unterricht erfolgt die Entwicklung einer
"sinnlich-ganzheitlichen Methodenkultur" (Gudjons 1989).
- Handlungsorientierte Elemente und Arbeitsformen erheben als kleine
Bausteine im Unterricht nicht den hohen Anspruch eines
handlungsorientierten Unterrichts als didaktischem Konzept.
(Lenz 2003, 4)
Prinzip der Aktualität
Das Prinzip der Aktualität berücksichtigt
gegenwartsnahe Ereignisse im Unterricht.
Aktuelle Ereignisse lassen sich nach zeitlichen, inhaltlichen und räumlichen Kriterien sowie nach den im Unterricht verwendeten Medien einteilen:
- zeitliche Kriterien: einmalige oder regelmäßig -wiederkehrende Ereignisse (z.B. erste Mondlandung, Vulkanausbruch)
- inhaltliche Kriterien: Ereignisse aus Politik, Natur, Wirtschaft
- räumliche Kriterien: Nahraum, Fernraum
- mediale Kriterien: Radio, Fernsehen, Printmedien, Internet
Aufgabe des Geographieunterrichts ist es, aktuelle Ereignisse unter Ausnutzung der Motivation der Schüler im Unterricht aufzugreifen.
Die Schüler sollen folgende
Qualifikationsstufen erreichen:
- Über Aktuelles informieren können
- Aktuelle Ereignisse mit anderen räumlichen und zeitlichen Ereignissen vergleichen können
- Aktuelle Ereignisse in ihrem raumzeitlichen Kontext bewerten können
- Zum Engagement bereit sein
Die Einbindung aktueller Ereignisse im Schulalltag können erreicht werden durch, z.B.:
- Aktuelle Stunde
- Gegenstand eines projektartigem Unterricht
Möglicher didaktischer Ort:
- Einstiegsphase: aktuelle Ereignisse motivieren und sollen zum Thema der Stunde führen
- Anwendungsphase: gewonnene Erkenntnisse und Fähigkeiten können auf gegenwärtige und konkrete Lebenssituationen übertragen werden (Transfer)
- Aktuelles Ereignis als zentrale Thematik des Unterrichts
???
Prinzip der Strukturierung
- Überlegungen zur inhaltlichen Strukturierung vollziehen sich im methodischen Bereich
- Durch Strukturierung werden zu vermittelnde Lerninhalte aufbereitet und dargeboten, um den Schülern das Lernen zu erleichtern.
- Unterscheidung der Strukturierung nach:
- inhaltlichen Aspekten z. B.: Konzentration auf das Wesentliche, Aufgliederung in Teilbereiche, Herstellung von Beziehungen und Sinnzusammenhängen
- methodischen Aufbereitung
- Wichtigste Medien zur Darstellung der Strukturierung sind das Tafelbild und das Arbeitsblatt.
- Wichtig ist, dass sich die Schüler der Struktur des Lerninhaltes und der Lernschritte in ihrer zeitlichen Abfolge bewusst werden.
Sonja Giese
Prinzip der Interdisziplinarität
Definition: Unterrichtsprinzip, in dem fachspezifische Ziele/Inhalte/Methoden überfachlich integriert sind
Aus Sicht des Geografieunterrichts ergeben sich 3 verschiedene Grundformen:
Fach- oder fächerübergreifender Unterricht:
- Planmäßiges Suchen von Verknüpfungen zu einem anderen Fach/ zu anderen Fächern
- beschränkt sich aber auf den Hinweis, dass es an einer bestimmten Stelle eine Verknüpfung zu einem anderen Fach gibt; oder baut auf den Erkenntnissen eines anderen Faches auf
Fächerverbindender Unterricht:
- Gemeinsame Behandlung von Themen (entweder kooperativ in der gleichen Stunde oder unabhängig voneinander): wichtig ist hier die Kooperation der Kollegen, um Wiederholungen, Widersprüche und Überschneidungen zu vermeiden
- Fächersystem bleibt aber erhalten
- Inhalte/Aspekte können zeitlich synchron, versetzt oder nacheinander eingebracht werden
Integrierter/überfachlicher Unterricht:
- Fachunterricht wird aufgehoben
- Überfachlicher Unterricht kann
- Dienstleistungsfach (vermittelt Kenntnisse für andere Fächer), oder
- Nehmerfach (greift Kenntnisse anderer Fächer auf und verarbeitet sie weiter oder wendet sie an) sein.
Probleme/Risiken:
- Kaum Sicherung systematischen Lernens
- Kaum Schaffung einer Kontinuität des Wissens
- Kaum Ordnungsprinzipien für Erkenntnisgewinne
Vorteile:
- Themen richten sich an Aktualität und Lebensnähe der Schüler aus
- Aufgeschlossenes, weltoffenes und weitsichtiges Lernen möglich
Fazit:
Interdisziplinärer Unterricht ist also keine Alternative zum Fachunterricht, sondern eine Ergänzung!
Christian Wurm
Prinzip des Vernetzten Denkens
- besser: vernetzendes Denken (weil das Denken die Denkobjekte vernetzt)
- Definition: Denkstrategie, Denkhaltung, Denkeinstellung, deren Ziel in der absichtsvollen, möglichst vielseitigen Verknüpfung analytischer Denkakte oder Denkobjekte besteht (KÖCK 2001, S. 9 IN: RINSCHEDE S. 186)
- Gegenpart: lineares, monokausales Denken, Schubladenlernen
- Ähnlichkeiten / Verwandtschaft: interdisziplinäres Lernen, globales Lernen, Denken in Systemen
- Wird immer wichtiger (in allen Lehrplänen drin), weil Welt (Natur, Kultur, Gesellschaft) aus immer mehr offenen komplexen, vernetzten Systemen besteht, die in unterschiedlicher Wechselwirkung zueinander stehen
→ wichtige Schlüsselqualifikation für Schüler
- Typen:
- systematisches Verständnis durch Vernetzen vernetzter Realität
Bspl Sahelzone: Zusammenhang von Viehhaltung, Grundwasserabsenkung, Entwicklungshilfe etc. (Abb. S. 185)
- systematisches Verständnis durch Vernetzen der Elemente von Elementgesamtheiten
Bspl Stadt: Einteilung nach Größe, Zentralität, Funktion, Lage + deren Vernetzung (Abb. S 186)
- assoziatives Verständnis durch Vernetzen chaotisch springender Gedanken
Bspl Mind Map (Abb. S. 187)
- räumliches Verständnis durch Vernetzen der Lage von Erdsachverhalten
eigene Bspl: Touristenströme, Erdölvorkommen, Rohstoffvorkommen + -verarbeitung ...?
Frauke Mau
Prinzip des Globalen Lernens
Globalisierung im weiteren Sinne:
auf der ganzen Welt aber vereinzelt auftretende Phänomene
Globalisierung im engeren Sinne:
Weltweit vernetzt auftretende Phänomene
Zwei Pole:
- lokale und personale Erfahrungshorizonte werden aufgebrochen.
- lokale Handlungsweisen können weltweite Auswirkungen haben
Vier Arten von Globalisierung:
- kulturelle Globalisierung
- politische Globalisierung
- ökologische Globalisierung
- ökonomische Globalisierung
Globales Lernen:
Definition:
Vermittlung einer globalen Perspektive und die Hinführung zum persönlichen Urteilen und Handeln in globaler Perspektive auf allen Stufen der Bildungsarbeit.
- gerade im Geographieunterricht kognitiv, affektiv und aktional zu verwirklichen!
- besonders gut in Verbindung mit einer regional/global-thematischen Konzeption.
- methodisch: v.a. topographische Inhalte
- medial: v.a. physische und thematische (karto-)graphische Medien
- Verknüpfung und Transfer von Nahraumthemen und globalen Themen
- geographiedidaktische Problembereiche:
- Komplexität und Unübersichtlichkeit
- Konkurrenzdenken
- Fortschrittsgläubigkeit
- Begrenzte Empathiefähigkeit
- Regionalismus und Nationalismus
???
Prinzip der Umwelterziehung
Umwelterziehung soll beim Schüler eine Auseinandersetzung mit der natürlichen, sozialen und gebauten Umwelt unter der Berücksichtigung ökologischer Gesetzmäßigkeiten hervorrufen. Das diesem Prinzip zugrunde liegende Leitbild ist die Nachhaltigkeit/die nachhaltige Entwicklung. Dabei soll sowohl ökologie-, ökonomie- als auch sozialverträglich gehandelt werden. Die wachsenden Umweltprobleme rücken die Umwelterziehung in eine zentrale Stellung für die Zukunft.
Klautke/Köhler formulieren fünf Stufen der Sichtweisen auf die Umwelt:
- Motivationsphase: Schüler sollen direkt Erfahrungen mit der Umwelt über möglichst viele Sinne sammeln. Durch die affektive Auseinandersetzung mit dem Thema soll eine Aufgeschlossenheit gegenüber dem Thema Umweltschutz geweckt werden.
- Informationsphase: Aufbauend auf dem erzeugten Interesse sollen dem Schüler Informationen, Daten und Fakten zum Thema vermittelt werden. Dies geht von der Annahme aus, dass der, der viel über Umweltprobleme weiß, ein Umweltbewusstsein entwickelt und umweltbewusst handelt.
- Reflexionsphase: Die in der zweiten Stufe erlernten Informationen sollen beim Schüler ein Betroffenheit auslösen, die wiederum zusätzlich zu umweltbewussten Verhalten motivieren soll. Das eigene Tun soll im Verlauf dieser Phase kritisch reflektiert werden,
- Ethikphase: Aus der Betroffenheit ist eine ethische Zielsetzung anzustreben. Der Schüler soll eine eigene ethische Richtlinie entwickeln. Diese Richtlinie soll zu einem erhöhten Sensibilitätsniveau beim Schüler führen.
- Handlungsphase: Die Folge aller Bestrebungen führt eventuell zu einer Umwelt schützenden Verhaltensänderung oder, im Idealfall, zu einem Umweltengagement, zu aktivem Handeln.
Verwirklichen lässt sich Umwelterziehung am besten durch Projektunterricht, der den Schülern den Natur- und Umweltschutz unmittelbar erleben lässt, zum Handeln motiviert und Möglichkeiten für persönliches Mitwirken aufzeigt.
Umwelterziehung sollte eine Fächer übergreifende Aufgabe der gesamten Schule sein, bei der die Geographie wird mit ihren globalen Bezügen in vieler Hinsicht als Leitfach fungieren kann.
???
Prinzip des Interkulturellen Lernens
Umgang mit Fremden:
Verhaltensorientierung, Wertorientierung
Erziehung zur internationaler Solidarität und Frieden
Geographie und interkulturelles Lernen= zwei verschiedene Lernstränge mit großem Überschneidungsbereich
Interkulturelles Lernen heißt Lernen zwischen den Kulturen
→ Einsichten in unterschiedliche Lebensformen
Interkulturelles Lernen als ein Prozess:
- Interkulturelle Begegnung
- interkulturelles Lernen
- interkulturelle Kompetenz: mit Angehörigen anderer Kulturen interagieren zu können
bei der Auseinandersetzung mit dem Fremden:
auf lokaler Ebene:
vor Ort- Fremde im eigenen Land
auf europäischer Ebene:
europäisches Lernen- Erziehung zum mündigen Europabürger
auf globaler Ebene:
behutsamer Umgang mit fremden Kulturen
zwei Ansätze des interkulturellen Lernens:
- Gemeinsamkeiten verschiedener Kulturen
- Unterschiede als Ausgangspunkt nehmen
Interkulturelles Lernen im Geographieunterricht eng verbunden- Die Erde bewahren, Leben in einer Welt, internationale Erziehung
Interkulturelles Lernen - Umsetzung in der Schule
- Kein einzelnes Unterrichtsfach- fließt immer in mehreren Fächern mit ein- fächerübergreifendes Prinzip
- Kann aber Bestandteil des Geographiefachunterrichts sein- sowie Geschichtsunterricht, Sozialkunde etc.
- Interkulturelle Projekte: Ausstellungen in der Schule, Märchen aus anderen Kulturen, Schüleraustauschprogramme, Internetaustausch
Interkulturelles Lernen als Prozess:
- Ethnozentrismus- Wahrnehmung der eigenen Kultur
- Aufmerksamkeit und Bewusstwerden für Fremdes
- Auffinden von Gemeinsamkeiten verschiedener Kulturen
- Akzeptieren und Respektieren der fremden Kultur
- Bewerten und Beurteilen
- Selektive Aneignung
Caroline Wiederholt