Fachdidaktische Ansätze in der Geographie

Zeitlicher Überblick

Die Fachdidaktik Geographie hat die Aufgabe, die immense Stofffülle der Geographie in Richtlinien und Lehrplänen "einzudampfen". Ungefähr 100 Jahre lang wurde hierfür der Länderkundliche Durchgang genutzt. Abgelöst wurde dieses Vorgehen durch den Allgemeingeographischen Ansatz. Heutzutage aktuell sind der thematisch-regionale Ansatz, der regional-thematische Ansatz und verschiedene moderne "Spezialansätze", die teilweise nur Teilbereiche der Geographie abdecken (z. B. Umwelterziehung).

Die Abbildung aus Kestler, 2002 zeigt einen historischen Überblick der fachdidaktische Ansätze in der Geographie

Idiographisch und Nomothetisch

Für die Herangehensweise der verschiedenen fachdidaktischen Ansätze an die geographischen Inhalte gibt es zwei wichtige Fachbegriffe:

Diese Abbildung zeigt die Zuordnung von vier fachdidaktischen Konzepten zu den Begriffen "Idiographisch" und "Nomothetisch". M.K.


Zu folgenden Zusammenfassungen vgl. Kestler 2002

Der Länderkundliche Durchgang

Schulerdkunde war bis Ende der 60er Jahre gleichbedeutend mit Länderkunde. Jeder Staat wurde nach dem selben Schema abgehandelt, wobei die physiogeographischen Faktoren immer vor den anthropogeographischen Faktoren behandelt wurden (Hettner-Schema: Lage, Größe, Relief, Klima, Boden, Vegetation, Bevölkerung, Siedlung, Wirtschaft.).

Die Raumindividualität sollte herausgearbeitet werden. Sie wurde als die "Krönung der Geographie" gesehen.

Bezüglich der Reihenfolge wurde das Ordnungsprinzip "vom Nahen zum Fernen" als am geeignetsten angesehen:

Fernräume waren so immer einer höheren Generalisierung unterworfen, da z. B. Deutschland ein ganzes Schuljahr gewidmet wurde, alle anderen europäischen Länder aber ebenfalls in einem Schuljahr abgehandelt wurden.

Die Nachteile dieses Ansatzes waren vor allem die immer gleichen Fragestellungen, es war die Rede von "Erwähnungsgeographie". Sowie die Vernachlässigung der Weltwirklichkeit ( - exotische Früchte im Supermarkt;- Menschen anderer Hautfarbe als Nachbarn): die Heimat ist kein von allem Fremden abgegrenzter Raum.

In den 50er und 60er Jahren wurde - diese Nachteile erkennend - der länderkundliche Durchgang mehrfach modifiziert. Dabei blieb er aber immer Ordnungsprinzip, auch wenn die streng idiographische Betrachtungsweise allmählich an Wert verlor (exemplarische L. typisierende L.). Eher wurde das Prinzip vom "Nahen zum Fernen" überarbeitet.

Welche Bedeutung hat der Länderkundliche Durchgang heute?

In den Richtlinien Geographie - Schule für Lernbehinderte von 1977 ist das Prinzip "vom Nahen zum Fernen" deutlich zu erkennen. Begonnen wird hier mit den Merkmalen und Funktionen von Gebäuden in der Lernstufe drei und wird geendet mit der Struktur der Weltwirtschaft in der Lernstufe neun. Die eigentliche Idee des Länderkundlichen Durchgangs, verschiedene Länder nach einem Schema auf ihre idiographischen Merkmale hin zu untersuchen, spiegelt sich in den Richtlinien allerdings nicht wieder.
In dem Schulbuch "Räume" für die Förderschule "Lernen" findet sich das Prinzip "vom Nahen zum Fernen" im Band 1 (Deutschland) und Band 2 (Europa) ebenfalls wieder. Die weiteren Bände folgen anderen fachdidaktische Konzepten.
Das Hettner-Schema kann man häufig in Reiseführern (Einführungsteil zum Land) oder in Länderlexika wieder entdecken. In der Schule kann es genutzt werden, um zum Beispiel Steckbriefe zu Ländern anzufertigen. Man sollte sich allerdings bewusst sein, dass man hiermit auf einen fachdidaktischen Oldtimer setzt!

Wie verunglimpft man den Ansatz?

Kestler 2002, 71

zusammengefasst von: Martin Rehs-Bauer, M.K.


Allgemeingeographischer Ansatz

Der allgemeingeographische Ansatz zielt auf das Auffinden von regelhaften gesetzmäßigen (nomothetischen) erdräumlichen Begriffen, Modellen, Systemen und dergleichen, die unabhängig von spezifischen Räumen allgemein gültig sind. In Lehre und Unterricht vermittelt dieser Ansatz übertragbare Einsichten, die in verschiedenen Regionen wiedergefunden werden können. Böhn 1999, 6

Die Bereiche der allgemeinen Geographie gliedern sich in: Böhn 1999, 6
Umsetzung in der Schule:

Der allgemeingeographische Ansatz wurde zeitweise von den Fachdidaktikern als der allein zulässige erklärt und verdrängte teilweise in den siebziger Jahren die anderen Ansätze. Zu Beginn der achtziger Jahre wurde verstärkt die Verbindung von länderkundlichen und allgemeingeographischen Elementen gesucht.

Herkunft

Ausgehend von der curricularen Bewegung aus dem angloamerikanischen Raum entwickelte sich eine Lernzielorientierung, die eine besondere Effizienz und eine Optimierung des volkswirtschaftlichen Wachstums versprach. Unterricht soll Qualifikationen vermitteln, die zur Bewältigung gegenwärtiger und zukünftiger Lebenssituationen befähigen. Um den verschiedenen Lebenssituationen gerecht zu werden, wurden allgemeingültige Inhalte verwendet, aus denen transferfähiges Wissen abgeleitet werden könne. Allgemeine Geographie anstelle von spezifischer Länderkunde, da diese "in die Sackgasse des Singulären" führt. Allgemeine Geographie hingegen ist auf übertragbare Strukturen hin angelegt und somit ein Beispiel für exemplarischen Unterricht.

Welche Bedeutung hat der allgemeingeographische Ansatz heute?

In "Räume" 3 entsprechen große Teile dem allgemeingeographischen Ansatz:
  • Erde und Weltall
  • feuchtheiße Gebiete
  • trockene Gebiete
  • kalte Gebiete
  • Klimazonen auf der Erde
Für Ihren Unterricht kann der Ansatz bei Themen genutzt werden, die an keine spezielle Region gebunden sind. Beispiel: Wetter, Klimazonen, Weltraum, Wüste

Wie verunglimpft man den Ansatz?

Böhn 1999, 7

Wichtige Vertreter

Arnold Schultze

zusammengefasst von: Axel Berson, M.K.


Thematisch-regionaler und regional-thematischer Ansatz

Zum Verständnis: der Begriff, der vorne steht, hat die größere Bedeutung.

Thematisch-regionaler Ansatz

Der thematische Aspekt wird betont. Ein allgemeingeographisches Thema (zum Beispiel „der wirtschaftende Mensch gestaltet Räume“, „Auswirkungen von Hitze und Trockenheit“) wird an regionalen Fallbeispielen erarbeitet. Die Themen bestimmen die inhaltliche Schwerpunktsetzung, die Fallbeispiele sind austauschbar und nicht verbindlich.
(Böhn 1999, 159)

Diskussion

Der Abschnitt aus der Fachdidaktik von Franz Kestler (2002, 74 ff.) über den thematisch- regionalen und regional-thematischen Ansatz befasst sich mit der fachdidaktischen Diskussion über die unterschiedliche Schwerpunktsetzung (vorwiegend thematischer Aufbau oder vorwiegend regional-geographischer Aufbau) im Geographieunterricht an deutschen Schulen in den letzten 25 Jahren. Unterricht mit dem Schwerpunkt "Thema" meint zusammengefasst, dass eine allgemeine geographische Problemstellung oder eben ein geographisches "Thema" erörtert wird und erst im weiteren Schritt dann in Bezug mit einer bestimmten Region exemplarisch aufgegriffen und vertieft wird. Eine derartige Herangehensweise an den Geographieunterricht bedarf allerdings einer Strukturierung der Unterrichtsinhalte vorrangig oder beinahe ausschließlich an Hand der Themenstruktur. Abgesehen von der schwierigen Frage der Hierarchisierung geographischer Themen vernachlässigt diese Vorgehensweise nach Ansicht des Autors den Wert der Regionalgeographie. Beim thematisch-regionalen Ansatz käme sie im Unterricht eindeutig zu kurz. Der Autor begründet seine gerade genannte Kritik unter anderem auch mit dem Bild des Geographieunterrichtes in der Öffentlichkeit, wo regionalgeographische Fragen als bedeutsamere und interessantere Strukturvorgaben für Unterrichtsinhalte gelten. Unter anderem aus diesem Grund spricht er sich für den regional-thematischen Ansatz aus, bei dem eben regionalgeographische Erkundungen und Lerninhalte im Vordergrund des Unterrichtes stehen. Weitere Gründe für eine derartige Schwerpunktsetzung führt er an:

  1. Schülerorientierung, Motivation, Interesse, Lebensweltbezug
  2. Exemplarizität besteht, d.h. es können auch allgemeine und theoretische Schlüsse gezogen werden

Welche Bedeutung haben die beiden Ansätze für den heutigen Erdkundeunterricht?

Die meisten Schulbücher für die Regelschule orientieren sich an einem der beiden Ansätze oder legen ihren Schwerpunkt in einigen Teilen eher auf die thematische in anderen auf die regionale Herangehensweise. Im Prinzip kann man jedes geographische Thema mit einem der beiden Ansätze begründen.

Wie verunglimpft man die jeweils andere Position?

Nach den harten Auseinandersetzungen der sechziger und siebziger Jahre in denen sich Vertreter der Länderkunde und des allgemeingeographischen Ansatz in den Haaren lagen, ist viel Ruhe in die fachdidaktische Diskussionen eingetreten. Kestler sagt hierzu, "dass das fachdidaktische Boot diskussionsgesättigt dahindümpelt" (2002, 81).

Es bleibt aber immer noch die Möglichkeit einem Vertreter des regional-thematischen Ansatzes vorzuwerfen er falle auf den Diskussionsstand der sechziger Jahre zurück (Länderkunde) während man Anhängern des thematisch-regionalen Ansatzes unterstellen kann sich auf den Diskussionsstand der siebziger Jahre (Allgemeingeographischer Ansatz) zu beschränken. Dies ist natürlich wenig befriedigend im Vergleich zu Verunglimpfungen vergangener Tage (Briefträgergeographie, Tupfengeographie)!

zusammengefasst von: Sonja Gies, M.K.


Globales Lernen

Die Globalisierung erfasst und polarisiert die ganze Welt und verursacht Diskussionen über die Zukunftshoffnungen und die Ängste der Menschen. Aus diesem Grund wurde als didaktische Konsequenz der Begriff „Globales Denken“ in den Schulen fächerübergreifend eingeführt. Globales Lernen ist auch als Zukunftserziehung zu sehen. Die Ziele des Globalen Lernens sind, dass die Schülerinnen und Schüler sich die Fähigkeiten der Problemwahrnehmung, der Empathiefähigkeit und des Perspektivenwechsels aneignen sollen, um die Problematik der Globalisierung besser zu verstehen können. Globales Denken ist auch als Fähigkeit zu sehen, Sachlagen und Probleme in einem weltweiten und ganzheitlichen Zusammenhang zu erfassen, um Verantwortung in größeren Dimensionen zu erkennen und zu übernehmen. Als globalisierte Themen gelten z.B. die Dritte-Welt-Problematik, Umwelterziehung und Interkulturelle Erziehung.

zusammengefasst von: Dominik Henseler

Schlüsselproblemansatz

Ausgangspunkt ist das erziehungswissenschaftliche Allgemeinbildungskonzept von KLAFKI (1993). Dieses konzentriert sich im Kern auf epochaltypische Schlüsselprobleme von Gegenwart und Zukunft. Das Bewusstsein dieser zentralen Probleme zielt auf die Einsicht in die Mitverantwortlichkeit und auf die Bereitschaft zur Mitwirkung an der Problembewältigung. Als geographische Schlüsselprobleme sind relevant: Umwelterhaltung (Ökologie - Ökonomie - Problem), globale Ungleichheiten (Nord-Süd-Problem) und Globalisierung / Arbeitslosigkeit. Der Ansatz orientiert sich vorrangig an gesellschaftlichen interdisziplinären Problemen (Geographie, Geschichte, Sozialkunde) und weniger an Fragestellungen und Inhalten der Fachwissenschaft. Fächerübergreifende, grundlegende Fähigkeiten werden zur Lebensbewältigung als wichtiger erachtet als kanonische Wissensinhalte. Kritiker bemängeln eine unvertretbare Verkürzung des Geographieunterrichts und fürchten gleichzeitig um die Eigenständigkeit und Identität des Faches.

zusammengefasst von: Björn Althoff

Umwelterziehung

Die Kultusministerkonferenz der Länder betonte in einem Beschluss 1980 die Umwelterziehung als übergeordnetes und durchgehendes Unterrichtsprinzip.

"Umwelterziehung ist Erziehung in der Auseinandersetzung mit der natürlichen, sozialen und gebauten Umwelt mit dem Ziel, die Bereitschaft und die Kompetenz zum Handeln unter Berücksichtigung ökologischer Gesetzmäßigkeiten zu entwickeln." (I. HEMMER 1999, S. 161). Das Unterrichtsziel umfasst die kognitive, affektive und konative Ebene (Wissen, Einstellungen und Handlungen).

Die Geographie ist im Vergleich zu den ebenfalls prädestinierten naturwissenschaftlichen Fächern Biologie und Chemie am kompetentesten für umweltrelevante Fragestellungen. Sie integriert Natur- und Sozialwissenschaften, arbeitet fächerübergreifend, nimmt eine regionale Differenzierung vor, berücksichtigt unterschiedliche Maßstabsebenen und macht auf globale Auswirkungen aufmerksam (HOFFMANN 1995, S. 136; STEIN 1986b, S. 7f; VOGLER 1991). Der Rat der Sachverständigen für Umweltfragen bezeichnete 1978 die Geographie als "umweltintensivstes Schulfach".

Eine zentrale Rolle bei der didaktisch-methodischen Umsetzung spielen dabei vor allem Handlungsorientierung und Ganzheitlichkeit. Ganzheitlichkeit wird in diesem Zusammenhang in mehrfacher Bedeutung verstanden. Zum einen natürlich der Einbezug aller Sinne, zum anderen auch die Beachtung mehrerer fachlicher Perspektiven im Sinne einer integrativen Sichtweise. Besonders der Einbezug subjektiver Emotionen wird als notwendig erachtet, um den Schuler zu öffnen und nachhaltige Lernergebnisse zu ermöglichen.

Die umweltdidaktischen Modelle haben sich seit den 70er-Jahren gewandelt. Die traditionelle Umwelterziehung befasste sich weitgehend mit regionalen und globalen Umweltproblemen, die in der Umweltpolitik diskutiert wurden, wie Energieverschwendung, Waldsterben, CO2- und Ozonproblem. Gegenwärtig wird die Umwelt zum Gegenstand für Untersuchungen vor Ort, wobei "Feldarbeitsmethoden", "Naturerlebnispädagogik", "Naturschutz -und Schulgartenpädagogik", auf welche auch die zunehmende Anzahl der außerschulischen Umweltbildungszentren vorwiegend ausgerichtet sind, zu nennen sind. Kritiker bezweifeln jedoch, ob damit umweltgerechte Verhaltensänderungen zu erreichen sind (BÖLTS 1995, S. 18ff; STEIN 1994, 1996).

zusammengefasst von: Sven Krämer